Die Moritat von der Krähe und dem Turm

Am 12.05.2017 als Gastpoet bei den Deichpoeten im Pferdestall Bremerhaven mit diesem Text

Es ist ein Stück über den Kirchturm von Wremen. Der wohl schönste Kirchturm im Elbe-Weser-Dreieck (schreibt Alma Rogge). Er steht auf der Dorfwurt, umgeben vom Friedhof. In dem Stück wird er dargestellt durch einen Gospelchor. Dann ist da noch die Krähe. Dargestellt von einem Barden. Erzählt wird alles von dem Chronisten. Ach so: Es geht dabei um mir.

Chronist:
Dies ist ein Stück, Euch zu erheitern
Denn es erzählt vom großen Scheitern
Ein Reigen schönster Illusionen
Wie sie in jedem von uns wohnen
So auch in MIR
Dem Einzelnen im WIR
Und MIR erging es so:

MIR:
Am Anfang war noch alles drin
Wie das so ist, wenn zu Beginn
Noch überall die Lichter leuchten
Wenn Glück und Glanz die Augen feuchten
Das Ende … nun … wär halb so schwer
Wenn es nicht so gewöhnlich wär
Wie der Lateiner sagt: so ordinär
So ungewöhnlich kalt und leer

Dazwischen lag mein Leben!!!

Ich schenk es mir, dass ich zum Scheine
Euch dazu was zusammenreime
Ich geb es zu, ich nehme es hin
Dass ich am Ende ratlos … trostlos … mutlos bin

Chronist:
Der Frohsinn geht mit Riesenschritten
Lässt sich nicht halten und nicht bitten
Der Trübsinn, der hat kurze Beine
Er hat MIR fest an seiner Leine
So dackeln sie zum Friedhof hin
Und für den Trübsinn macht das Sinn
Denn er ist quasi hier zu Hause
Hier macht sogar der Frohsinn Pause

Das ist der Ort, wenn man ihn kennt
Den man besucht im letzten Hemd
Dort, wo zur Heimat wird der Turm
Und zum Gefährten wird der Wurm
Dies ist kein Ort um zu verweilen
Auch MIR würd gern vorüber eilen
Doch er sucht Rat bei seinen Ahnen
Vielleicht lenkt der in ruhige Bahnen
Sein Leben!!!

Ihr glaubt es nicht, es ist so weit
MIR glaubt, er wäre nicht gescheit
Statt Grabesstimme aus der Gruft
Tönt es ganz flockig aus der Luft
Ein Gospelchor:

Chor:
Die Krähe und der Turm
Die Krähe und der Turm

Ich bin der Turm, der Turm um den Du kreist
Ich bin das Dach, auf das Du scheißt
Das was Dir fehlt, das ist der Heimatsinn
Das kränkt mich sehr, weil ich die Heimat bin

Chronist:
Es krächzt und nuschelt jetzt der Barde
Wenn er`s nicht täte, das wär scharde
Er, der Schwarm ist vieler alten
Klapprig tattriger Gestalten
Er, der soviel ich weiß
Erhielt sogar den Nobel-Preis
Er, mit den dünnen Beinen

Barde:
Was soll im Nest ich hocken, sagt die Krähe zu dem Turm
Ich mach mich auf die Socken, noch einen letzten Wurm
Ich mach mich auf die Strümpfe, durch Wüsten und durch Sümpfe
Ich mach mich auf die Sohlen, zieh in die Metropolen
Ich such mir einen Schwarm, dann machen wir Alarm
Mit denen zieh ich nach Berlin, da gibt es viele Deponien
Dort macht es Klicker-Klacker, da ist ein heißer Acker
Dort wo es glänzt und glitzert, und wo die Lerche zwitschert
Kennt sich die Elster aus, die kenn ich von zu Haus
Und irgendwann find ich ein Plätzchen, dann such ich mir ein kleines Schätzchen
Vielleicht hast Du dann das Glück, und ich bin nächstes Jahr zurück

Chor:
Ich bin der Hort, der Hort für das Gebot
Ich bin das Maß, die Waage und das Lot
Ich teil die Welt, die Welt in gut und schlecht
Ich hab es schwer, denn ich hab Recht

Barde:
Dein Recht ist ein gepflegter Garten, sagt die Krähe zu dem Turm
Mein Recht ist nur was für die Harten, darauf noch einen Wurm
Dein Recht, geschrieben und gebunden, mein Recht gemartert und geschunden
Kommt aus den Läufen der Gewehre, dereinst durch Lanzen und durch Speere
Sowie durch Messer und Macheten, und heut durch Dronen und Raketen
Es ist der Tücke Niedertracht, die über meine Rechte wacht
Es ist der Willkür Bosheit Spiel, denn sie gibt gar nichts und nimmt viel
Es ist die Geilheit auf die Macht, die über unsere Rechte lacht
Es ist nicht Hass und nicht die Wut, es ist die schiere Gier nach Blut
Wie in Aleppo grad geschehen, ich war dabei, ich hab`s gesehen
Und deshalb sei es hier erwähnt, man gut, dass das Gesetz Euch zähmt

Chronist:
Kein Blitz schlägt ein, kein Donner hallt
Kein Geist tritt auf in der Gestalt
Des Engels oder Teufels gar
Und doch ist die Geschichte wahr
Die, von der Krähe und dem Turm
Und nicht vergessen: von dem Wurm
Und … was sagt das Ganze MIR?
Dem Einzelnen im WIR
Gibt es `ne Botschaft seiner Ahnen?
Würd sie Ermuntern oder Mahnen?
Wir wissen`s nicht!
Wir hörn`n nur was die Krähe spricht:
Und die sagt:
Im Namen Eurer Mütter Väter:
Kämpf jetzt … heul später!