Dies ist ein chauvinistisches Machwerk, hingeschludert in üblen Schüttelreimen.

Ich würde Dir gern jetzt erzählen
Was mich für große Sorgen quälen
Wo alles doch so schön begann
Bei Bauer Meier nebenan

Denn Bauer Meier meint ich täte
Was rechtes, wenn ich Hennen trete
Betrachtet mich mit Wohlgefallen
Doch das gilt leider nicht bei allen

Frau Meier manchmal hoch erregt
Nach mir mit einer Schaufel schlägt
Ich hoffe mal, dass Abends spät
Es Meier nicht genauso geht

Ich steh meist auf dem Mist ganz oben
Ich will mich ja nicht selber loben
Doch schön spreizt sich mein Hahngefieder
Lass ich mich auf der Henne nieder

Das ist mein Auftrag, sonnenklar
Womit ich sehr zufrieden war
Ich lernte sie dann alle kennen
Die netten, scharfen, klugen Hennen

Doch jedem Huhn gerecht zu werden
Das ist nicht einfach, hier auf Erden
Man muss die Hennen schon verstehen
In jeder das Besondere sehen

Doch leicht gesagt ist schwer getan
Ich bin kein Schwerenöter, kein Galan
Mir fehlen meist die rechten Worte
Zur rechten Zeit, am rechten Orte

Ich könnte doch Geschichten schreiben
Mit Worten die dann ewig bleiben
Wie diese hier, als Beispiel nur
Ein Hahn der schreibt, ein Wunder der Natur

Da ist die Glucke namens Trine
Die legendäre Brutmaschine
Fünf Hähne hat sie überlebt
Und weitere sind angestrebt

Da heißt es nur Respekt zu zeigen
Und sie in Demut zu besteigen
Ist es für mich dann irgendwann vorbei
Erzählt man sich: er war dabei!

Der Nachbar hat nen Riesengockel
Ein Denkmal inklusive Sockel
Ein Hahn vom Stamm der Brahma
Das Loch im Zaun, das ist das Drama

Wenn Brahma seine Stimme hebt
Das rings herum die Luft erbebt
Seh ich der Hennen Augen flackern
Hör ihre Eierstöcke klappern

Das Drama ist das Loch im Zaun
Auch Marga ist dann abgehaun
Doch das ist ihr nicht gut bekommen
Sie wurd in Sippenhaft genommen

Die Brut von ihr, Ihr dürft es raten
Erbrachte manchen Sonntagsbraten
Die breite Brust, die strammen Schenkel
Sie gab sie weiter an die Enkel

Ein jeder der Mathilde kennt
Erkennt gleich ihr Naturtalent
Sie sammelt Nektar wie die Bienen
Sie könnte Geld damit verdienen

Wenn sie so um die Ecke biegt
Und leicht sich in den Hüften wiegt
Wie frisch lackert die Krallen
Schon seid Ihr ihr verfallen

Ihr Gurren lockt wie die Sirene
Es appeliert an meine Gene
In Reih und Glied, und stramm gestanden
Auf, auf, Marsch, Marsch, ihr Räuberbanden

Sie ist so offen wie ein Scheunentor
Und ich steh doch verzagt davor
Sie ist geheimnisvoll wie eine Nymphe
Und ich bin nackt, bis auf die Strümpfe

So könnten alle glücklich sein
Die Hennen, Bauer Meier und ich … allein
Wenn das Vergnügen wird zur Pflicht
Nützt auch das ganze Mühen nicht

Der Stress an meinen Kräften saugt
Ich fühl mich etwas ausgelaugt
Schon stelle ich an manchen Tagen
Mir selber reichlich wirre Fragen

Was mach ich nur im Alter?
Wird mich mein Hühnerhalter
Noch wollen wenn ich nicht mehr kann?
Sieht man mir schon mein Alter an?

Ein Leben voller Übervölle
Führt das direkt in eine Hölle?
Besetzt mit lauter geilen Hähnen?
Und ich wär einer nur von denen?

Du merkst es schon, es ist soweit
Ich zweifle an der Männlichkeit
Hat das der liebe Gott gewollt?
Dass man uns keine Achtung zollt?

Am Ende hab ich´s dann versiebt
Verdammt noch mal, ich bin verliebt
Einstmals ist mir der Kamm geschwollen
Jetzt will ich plötzlich nicht mehr wollen

Will nur noch Deine Federn wuscheln
Und höchstens noch mal etwas kuscheln
Ich glaub, ich hab mich aufgegeben
Will ganz normales Eheleben

Und weist Du auch, was dann passierte
Als ich mich schließlich selbst kastrierte
Das war der Bäuerin nicht recht
Das war nicht gut, war sogar schlecht

Die Meiersche, sie schlägt Alarm
„Der bring´s nicht mehr, der macht uns arm!
Der Hahn ist eine Flasche!
Der liegt uns nur noch auf der Tasche!“

„Ach, gib ihm doch das Gnadenbrot
Am Ende sind wir alle tot
Wir müssen auch mal gönnen können
Auch wenn wir dabei nichts gewönnen!“
(meint der Bauer)

Doch wie´s so ist seit vielen Tagen
Zu Hause hat die Frau das Sagen
Was mich natürlich stark betrifft
Für meine Zukunft ist das Gift

So kostet es mich jetzt den Kopf
Ich lande nun in einem Topf
Schon vor dem ersten Hahnenschrei
Ist es vorbei

Zuvor jedoch ein letztes Zucken
Und teilnahmslos die Glucken gucken
Sie haben jetzt wohl neue Pläne
Denn schließlich gibt es viele Hähne

Ich wähn mich schon im Hähnchenhimmel
Von Ferne hör ich das Gebimmel
Von jungen Kücken mit Silberglöckchen
An ihren goldnen Löckchen

Frau Meier ganz in ihrem Element
Kein Mitleid, keine Gnade kennt
Das Wasser ist schon aufgesetzt
Als sie beim Rupfen mich verpetzt

„Hey, Mann komm her, schau Dir das an
An dem da ist ja gar nichts dran!“

„Ach lass ihn doch, sei einfach nett
Ein guter Hahn wird niemals fett!“


Wo ist sie
Die Magie?
Zerstoben!
Auf Weisung von oben
Und oben ist da
Wo wir sind, na klar

Und wir laden Dich ein
Dabei zu sein
Denn wir sind offen
Und betroffen betroffen

Hier bleibt nichts ungefragt
Und nichts ungesagt
Es wird alles erzählt
Erkenntnisgestählt

Auch einsame Sorgen
Sind nicht mehr verborgen
Jede Nische erhellt
Jeder Schatten gestellt

Die Versuchung verbannt
Die Gewissheit benannt
Jeder Glaube seziert
Das Jenseits markiert

Und wir sind vernetzt
Im Hier und Jetzt
Das Dasein vermessen
Das Hiersein vergessen

Der Zweifel gezähmt
Die Angst gelähmt
Die Moral entrüstet
Die Tat gebrüstet

Die Demut bekehrt
Die Schuld belehrt
Der Trost etabliert
Die Einfalt borniert

Nichts mehr, für das es sich würde zu Warten lohnen
Die Zahl der Wünsche geht in die Millionen
Die Möglichkeiten endgültig entgrenzt
Am jüngsten Tag wird einfach geschwänzt

Es ist alles im Lot
Auf unserem Boot
Und wir sind dabei
So glücklich und frei
Und wir dienen
Maschinen!

Der russische Pianist Arcadi Volodos sagt am 06.05.2017 im Spiegel über den Verlust der Spiritualität: „Ich glaube, die wahre Gefahr ist nicht, dass die Maschinen zu schlau werden, sondern das die Menschen zu Maschinen verkommen.“ Deshalb hier der alternative Schluss:

Es ist alles im Lot
Auf unserem Boot
Und wir sind dabei
So glücklich und frei
Wenn wir auf Erden
Maschinen werden


Es trafen mich dann Deine Worte
Wie süße Sahnetorte
Mitten ins Gesicht
Obwohl Dein Leibgericht
Der Bismarckhering ist
Und das geschah
Unvorhersehbar
Wohl weil Du plötzlich sauer warst!
Oder bist?


Heimerziehung in den 50-er und 60-er Jahren: Als Heimerzieher (bis 2010) habe ich mit deren Geschichte beschäftigt. Offen blieb die Verbindung zu der „Wohlfahrt“ im Nationalsozialismus. Hier nun der kleine Versuch, einige „persönliche“ Beziehungen herzustellen.

Ein Stück in 8 Kapiteln.

Erstes Kapitel: Am Anfang

Schenk mir ein wenig Deiner Zeit
Leih mir Dein Ohr
Folg mir ein Stück, und sei bereit
Für einen Blick in die Vergangenheit
Als praktisch alles schon verloren schien
Als würde die Geschichte weiter zieh`n
Nur ohne uns … die Stunde Null
Und wir dann trotzdem weiter machten
Weiter weinten, weiter lachten
Weiter liebten, weiter betrogen
Weiter schworen, weiter logen
Weiter blieben, weiter zogen
Und dann war da etwa jeder Zehnte
Der sich schämte
Tatsächlich war die Zeitenwende …. zu Ende
Es gab keine Revolte, keine Gesinnungshatz
Ein jeder blieb an seinem Platz

Zweites Kapitel: Am Bahndamm

Der Damm aus Schotter, die Schwellen aus Eiche
Die Schienen aus Eisen und nirgends ´ne Weiche
Und mal weißer Dampf und mal schwarzer Ruß
Das rhythmische Stampfen der Kolben als Gruß
von bedrohlicher Nähe, aus der Ferne dagegen
das Pfeifen, dass sich Gefühle von Fernweh regen

Und links geht’s zum Werk, nur ein Kilometer
Hier werkelten schon unserer Väter Väter
An Granaten und Bomben aller Kaliber
Bis, geschüttelt wie von heißem Fieber
Der Tod hier um sein Leben bangte
Der ständig nach Nachschub verlangte
Der Zwangsarbeiter war der Sklave
Der höllischen Enklave
Hier herrschte das faschistische Regime
Das manchmal fast normal erschien
Und plötzlich war es dann vorbei …. irgendwie und einerlei
Kein Fieber mehr, nur Leichenblässe
Der Sieger las die letzte Messe
Nun bauen sie dort Pfannen mit Stiel und Töpfe mit Henkel
Doch wovon sollen sie leben, zukünftig, unsere Enkel
Das mit der Wirtschaft, das ist ein Auf und Nieder
Und das mit den Granaten und Bomben, das wird schon wieder
Und deshalb herrscht eine große Zuversicht
Das bald die neue Zeit anbricht
Und rechts geht’s in die Stadt, nur drei Kilometer
Gleich gemacht, ob Opfer oder Täter
Weil sie in Schutt und Asche lag
Ausradiert an einem Tag
Als die Geister nicht mehr schliefen, die sie riefen

Drittes Kapitel: Im Barackenlager

Fünf Baracken, ein Waschhaus, drei Klos gibt es hier
Und ein schönes Depot für Tabak, für Korn und natürlich für Bier
Am Rand des Platzes dann viel Gerümpel
Und ein Stück weiter ein stinkender Tümpel
Es lässt sich wohl das Wasser nicht von den Fäkalien scheiden
Weshalb auch die Kinder unter Ausschlag leiden
Und an manchen Tagen wird Abfall verbrannt
Dann zieht sowas wie Romantik durchs Land
Und ab und zu lässt die Staatsmacht sich sehen
Auch der ist klar, hier muss was geschehen
Doch haben deren Aktivitäten …. andere Prioritäten

Und vor tausend Jahren
Als alle vor Größe besoffen waren
Da waren die Baracken nichts weiter
Als Behausungen für die Zwangsarbeiter
Wer heute seine Miete nicht zahlt, eins, zwei, drei
Den bringt die Obdachlosenpolizei … vorbei

Das kleine Depot, nicht ohne Komfort, ist jetzt überdacht
Es bietet Schutz auch über Nacht
Doch lass Dir von all dem nicht das Gemüt verdunkeln
Man kann hier auch feiern und singen und schunkeln
Es wird auch wieder im Stechschritt marschiert
Und von rauen Männerstimmen intoniert
Durch die dunkle Stille schallt
Das Lied von schönen Westerwald

Eukalyptusbonbon … über Deine Höhen pfeift der Wind so kalt
Jedoch der kleinste Sonnenschein dringt tief ins Herz hinein

Nur Karl mit seinem abben Bein … stimmt nicht mit ein
Er bleibt, was er immer war und heute noch ist … ein Zivilist

Viertes Kapitel: Karl

Und dann ist da Karl mit dem abben Bein
Deshalb wird auch nichts mehr wie früher sein
Ihm wurden die besten Jahre geklaut
Die Liebe, Familie, alles versaut
Als Soldat hat man ihn in die Pfanne gehauen
Als Kriegsversehrter darf er nun in die Röhre schauen
Seine Frau ist weg, sie hat den Bahndamm überwunden
Und ist mit ´nem Befreier in die Staaten verschwunden
Doch, mach Dir keine Sorgen, nimm´s nicht so schwer
Es ist nicht so, dass Karl ganz ohne Hilfe wär´
Denn jeden dritten Dienstag, so gegen halb drei
Kommt jemand von der Krüppelfürsorge vorbei

Vor dem Krieg saß er hoch auf dem Traktor
Jetzt spielt er im Keller des Werks den Kalfaktor
Die Fenster vergittert, doch er will hier nicht raus
Das Werk und der Keller, sie sind sein Zuhaus
Die da oben, die zwitschern schon wieder gestelzt und gedrechselt
Dabei haben sie nur den Verein gewechselt
Lasst sie doch oben hüpfen und picken wie Spatzen auf dem Mist
Das kratzt Karl nicht, weil er der König im Keller ist

Obwohl jeder es ahnte und keiner was wusste
Und Karl es wollte, obwohl er nicht musste
Er hütet für Heide, sein Kind, über das er nicht spricht
Eine silberne Spange, auf dass nicht die Kette bricht
Der Generationen der Frauen, der Mütter
Durch Zeiten mal süß und mal bitter

Ach ja, das Leben verpasste ihm manchen Dämpfer
Er ist nun mal kein großer Kämpfer
Doch eines noch: ich glaube, er ist einer von denen
Die sich schämen

Fünftes Kapitel: Marek

Da ist auch Marek aus Polen, aus Lodz genau
Was er hier noch sucht, das versteht keine Sau
Hier beim Volk der Schinder und der Henker
Oder doch bei dem der Dichter und der Denker?

Nun, es gehört wohl zum Siegen
Dass Sieger nach Belieben, Völker verschieben
Es wurden, zuweilen über Nacht
Den Menschen einfach Beine gemacht
Es wurde dann nicht lange gebeten
Es hieß ganz einfach: mit dem Koffer antreten
Für viele Polen ging es damals von Osten nach Westen
Selektiert von den Deutschen als die Stärksten und Besten
Jetzt fuhren die Züge von Westen nach Osten
Wir scheuen keine Mühen und wir scheuen keine Kosten
Meinten die Sieger und Befreier, die Alliierten
Als sie Menschen verschickten, die Repatriierten
Doch in ihrer geschäftigen Hast
Verpassten sie, dass Marek den Zug verpasst
Denn er sagte sich: ich will hier bleiben
Ich lass mich hier nicht einfach vertreiben
Denn ein Land in Trümmern ist ein weites Feld
Das verwildert, verkrautet und unbestellt
Leute braucht wie mich, den Polen
Der alles besorgt, ob Holz oder Kohlen
Der handelt mit Schrott, mit Flaschen und Lumpen
Und der Leute hat, die Geld bei ihm pumpen

Obwohl keiner es wusste aber jeder was ahnte
Dass Marek schon bald ganz kräftig absahnte
Denn im Großen wie auch im Ganzen
Lässt er schon mal die Puppen tanzen
Im Lagerdepot
Das er betreibt, und sowieso
Sind die Zeiten auch schlimm, und sind sie gar schlimmer
Tabak und Schnaps läuft immer
So sieht er der Zukunft ganz freudig entgegen
Des einen Leid ist des anderen Segen

Und Du fragst Dich vielleicht, wes Geistes Kind er ist
Ich glaube, er ist einfach nur ein Realist

Sechstes Kapitel: Herr Dr. Krüger

Ja, das ist er nun, unser lieber Herr Krüger
Der Dr. jur. war nicht nur klug, er war auch klüger

Am Erbgesundheitsgericht, vor tausend Jahren
Als alle noch vor Größe besoffen waren
Da war er Richter und Kläger
Ein harter Hund, ein großer Jäger
Er, der zum Thema promovierte
Wie man den Zwang legitimierte
Den Zwang gegen Menschen, die allein und verlassen
Nicht in das Bild vom Übermenschen passen
Und wenn er das Menschenrecht verletzte
Dann nach dem Gesetz, das er sich selber setzte

Doch auch ihm gelang es, zu überwintern
Und sitzt jetzt mit seinem strammen Hintern
Als Richter am Vormundschaftsgericht
Das ist in Ordnung, das stört ihn nicht
Justitias Waage wurde einfach neu geeicht
Insofern fällt ihm auch das Richten leicht

Nur … vor tausend Jahren
Als alle vor Größe besoffen waren
Da hatte er ein Ideal gefunden
Die Vermehrung der Starken und Gesunden
Der Volkskörper sollte genesen
Am arischen Wesen
Doch Ideale sind wie Güter
Mal Sonderangebot, mal Ladenhüter

Nun, Idealismus ist, so wie es scheint
Doch weiter nichts als „gut gemeint“
Und mitunter …. leidet er darunter

Siebtes Kapitel: Heide

Und die Geschichte von Heide, noch zart und fein
Beginnt für mich in den 50er-Jahren, im Kinderheim
Nachdem die Mutter über Nacht verschwand
Und das Amt befand
Dass es wohl so besser für sie wäre
Und deshalb gab sie sich die Ehre
Die Anstalt mit ihrem Glanz zu erhellen
Und Willkür und Ohnmacht in den Schatten zu stellen
Hier lernte sie, was sich geziemt
Sozusagen das, was der Unterwerfung dient
Und wer auch versuchte, sie zu beschämen
Konnte ihr doch die Würde und den Stolz nicht nehmen
So kam es, dass keine Zumutung sie störte
Weil sie wusste, dass sie an den Bahndamm, zum Vater gehörte
Und zu ihrem Glück, kam sie zurück
Mittlerweile gereift
Und mit Warnungen und Mahnungen eingeseift

Und weisst Du, was ihr ganzer Stolz war?
Die silberne Spange für ihr schwarzes Haar
Und eines Tages wird auf ihren Locken
Die Spange wie ein Krone hocken
Denn schon als Kind, da war ihr klar
Dass sie eine schöne Prinzessin war
Und irgendwann würde sie ganz allein
Die Königin vom Bahndamm sein

Und es wächst eine Rose am Bahndamm heran
Schön, stolz, wehrhaft und irgendwann
Wird sie gebrochen, von einem Prinzen vielleicht
Obwohl auch Otto Normalverbraucher reicht

Und so kam es, wie es kommen musste
Obwohl keiner es glaubte und jeder es wusste
Ein heißer Tag schleppt sich durchs Land
Wie Wirbelwind staubt feinster Sand
Und Kinder mit der Botschaft durchs Lager rennen
Heut Abend wollen wir Abfall verbrennen!
Was soll der Quatsch mit dem Gestank?
Der Wind steht gut, der zieht den Bahndamm entlang!
Das junge Volk ist freudig erregt
Das Schnapsdepot wird gründlich gefegt
Und Marek hat sich sogar rasiert
Wer weiß, was heute noch passiert
Und Karl trägt die Hose, die gute, die alte
Die mit der scharfen Bügelfalte

Nur Heide hält sich vornehm zurück
Vorläufig jedenfalls, doch dann zum Glück
Der Männer, ihr Auftritt im vollen Glanz
Der Funken des Feuers im sprühenden Tanz

Und weisst Du, was ihr größtes Glück war?
Es war die silberne Spange im Haar
Und sie ließ auf ihren dunklen Locken
Die Spange wie ein Krone hocken
Dass niemand, und wer es auch sei, vergisst
Wer hier heut die Königin vom Bahndamm ist

Und als das Feuer verglüht
und sich der Rauch verzieht
Eine trunkene Stimme, wie im Selbstgespräch
Sich über die Stille des Lagers legt

Oh Heideröslein, nimm Dich in Acht
Oh Heideröslein, was der Jäger macht
Er brach die Rose, und gab sie ihr
Oh Heideröslein, er will Dein Herz dafür

Doch es kam, wie es kommen musste
Obwohl keiner es glaubte und jeder was wusste
Die Rose gebrochen, der Strauch verdorrt
Es schien alles anders, am gleichen Ort
Und nach neun Monaten, wer hätte es gedacht
Hat Heide Karl zum Opa gemacht

Ja, ja, ich weiß, aus heutiger Sicht gäbe es sicher Bedenken
Doch Heide freut sich einfach nur Leben zu schenken
Und Du fragst Dich vielleicht, wer der Erzeuger war
Es war Marek, der Rasierte, ist doch klar

Und fast wäre sie, sie hat es erwogen
Mit ihrem Kind zu Marek gezogen
Doch ein Leben mit ihm wäre ihr zu alkoholisch
Seine Erwartung an Frauen etwas zu katholisch
Denn es ist, weiß Gott, nicht ihr bestreben
Ihm alles zu vergeben

So müssen sie, ihr Kind und der Staat ohne Vater auskommen
Das hat Vater Staat ihr übel genommen
Und so hat sie, oh Graus
Das Jugendamt im Haus
Damit kommt auch Herr Krüger ins Spiel
Denn am hiesigen Vormundschaftsgericht
Tut Dr. Krüger seine Pflicht
Doch diesmal gibt er sich zivil
Ihm reicht es schon, das Kind ihr zu entziehen
Ihr kurzes Glück ist nur geliehen
Der Schmerz dagegen ist von Dauer
Die heiße Sehnsucht, die tiefe Trauer
Kein liebes Wort, keine stille Rast
Kein helles Lachen, keine wilde Hast
Heilt diese Wunde
An keinem Tag, zu keiner Stunde

Und weisst Du, was ihr größter Schatz war?
Es war die silberne Spange, die nie wieder
Liess sich auf ihre Locken nieder
Eine Königin wurde nicht mehr gebraucht
Auch dann nicht, wenn das Feuer raucht

Achtes Kapitel: Zum Ende

Schenk mir ein wenig Deiner Zeit
Leih mir Dein Ohr
Das Ende der Geschichte …. es ist soweit

Denn eines, über die Jahre lässt Heide keine Ruh`
Es bleibt an ihr kleben, wie Scheiße am Schuh
Die silberne Spange, die, glaub ich, nur silberfarben war
Krönte nie wieder ihr schönes, ihr lockiges Haar
Denn die Locken wurden ein Opfer der Schere
Ein Bubikopf zierte ihr Haupt als wäre
Strenge und Härte in ihr Leben gezogen
Und das hat manchen Zeitgenossen bewogen
Zu glauben, dass sie jetzt die Herrscherin vom Bahndamm sei
Doch auch mit dem Lager war es irgendwann vorbei
Ein verlorenes Kind und ein verlorenes Reich
War das des Schicksals letzter Streich?

Und irgendwann später, da traf ich sie
Ich weiss nicht genau wo und wann und wie
Und wir kamen dann auch auf die alten Zeiten
Egal, Du kennst ja die Einzelheiten
Nur soviel: Am Ende sagte sie

Ich kann warten, und warten, und dauert´s auch lange
Irgendwann bekommt Karin, mein Kind, die silberne Spange


Wenn Lieder nicht mehr Flügel haben
Und Farben nicht das Licht ertragen
Wenn Tanz nicht mehr die Kette bricht
Dann wird die Stille zum Gedicht